Donnerstag, 1. November 2012

No one knows how much I cried that day

Mein Herz rast, doch davon merkt niemand was. Ich sitze still und gerade neben meinen Eltern auf unserem Sofa und starre auf den Fernseher. Ich habe meine Hände gefaltet und ich spüre den Schmerz, den meine Fingernägel hinterlassen. Morgen werde ich davon blaue Flecken haben, aber was soll's. Meine Eltern starren auf den Bildschirm, als ob er jemand Fremden zeigen würde. Aber dort ist niemand fremdes, dort ist ihr Sohn. Ich frage mich wie sie das machen. Aber natürlich stelle ich diese Frage nicht laut.
Du schaffst das, ich glaube an dich! In Gedanken bete ich, obwohl ich weiß, dass da oben niemand ist. Im Moment kämpft Abbas sich durch das Dickicht des Dschungels in der Nähe des Flusses. Es ist das Finale der 65. Hungerspiele. Über sind noch mein Bruder Abbas und Finnick Odair. Sie sind beide stark, das weiß ich. Das Problem ist, dass das Gelände für den Jungen aus Distrikt 4 günstiger ist, aber trotzdem Abbas muss das schaffen.
Es war so still, dass mich der Schrei zusammen fahren lässt. Mein Vater schlägt mir gegen den Hinterkopf, doch das spüre ich kaum, ich bin zu sehr abgelenkt von dem was sich gerade auf dem Bildschirm abspielt. Abbas ist in eine von Finnicks Fallen getappt. Ein Netz, er verknotet sich immer mehr. "Du schaffst das, los.", murmle ich so leise, dass es niemand hört. Angespannt beugt sich mein Vater nach vorne. Und dann sehe ich Finnick mit seinem Dreizack. Abbas hat keine Chance mehr zu entkommen. Gerade mal eine Masche des Netzes hat er mit seinem Messer druchtrennt als ihn der Speer im Bauch trifft. Die Kanone ertönt und die Fanfaren für den Gewinner erklingen.
Plötzlich wird der Bildschirm schwarz und mein Vater erhebt sich und geht zu Bett. Meine Mutter stellt ihr Glas Champagner auf den Tisch, ihre Lippen sind merkwürdig schmal. Auch sie geht einfach und ich sitze alleine in unserem riesigem Wohnzimmer. Vor siebzehn Tagen saß er neben mir und wir haben gespielt. Und jetzt ist er fort für immer. Meine Eltern scheinen wirklich schlafen gegangen zu sein und ich stehe auf. Mein Herz klopft wie wild und mir ist übel. Ich will raus hier, ich will ganz weit weg. Aber draußen regnet es und es ist nach zehn. Es klopft. Mit weichen Knien gehe ich zur Tür und mache auf, ich habe keine Angst. Schon mit meinen fünf Jahren bin ich gut trainiert, besser als die anderen in meinem Alter. Kaum habe ich die Tür aufgemacht rauscht mein pitschnasser bester Freund an mir vorbei und schleppt mich mit in mein Zimmer. "Was machst du hier, es ist schon nach zehn!", zische ich ihm zu. Ich sollte Angst haben, dass meine Eltern es mitkriegen, aber die habe ich nicht. Nachdem die Tür zufällt schaut er mich an und ich zähle die Wassertropfen, die von seinen blonden Haaren auf seine Nase tropfen. "Wie geht es dir?", fragt er mich.
"Gut."
"Schon klar.", sagt er genervt und nimmt mich in den Arm. Die Tage an denen Abbas nie da war, da war Cato für mich da. Aber daran will ich jetzt nicht denken. Ich will nicht an Abbas denken, am liebsten will ich ihn vergessen. Ich sollte ihn vergessen, besser gesagt. Ich spüre wie mein Kleid das Wasser aufsaugt, wie ich selber nass werde, aber das ist mir auch egal. Eigentlich ist mir gerade alles egal. Außer dass mein großer Bruder tot ist&das Cato da ist. Irgendwann weine ich dann doch, aber so leise dass meine Eltern es nicht hören. Cato bleibt da und dafür bin ich ihm dankbar.

Meine Eltern haben nie wieder über Abbas geredet. Als hätte er nie existiert. Nur ein Grab auf dem Friedhof für die gefallenen Tribute erinnert noch daran, dass es ihn mal gab.

1 Kommentar:

  1. Wundervoller Blog, der Grund warum ich dich getagged habe (;
    http://poesiealbum-liebeskummer.blogspot.de/2013/01/ich-habe-gerade-bemerkt-dass-ich.html#comment-form

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